Die Menge an gravierenden Ereignissen in unserer unmittelbaren Realität, die jedes für sich mit dem Label „einmal im Leben“ versehen ist, bleibt weiterhin sehr hoch: Pandemie, Krieg, hohe Inflation, Energiekrise und Klimakrise.
Da erscheint es fast unbedeutend, dass der Lieblingsrechner vieler Heimautomatisierenden, der Raspberry Pi 4, derzeit schwierig zu kaufen ist. Konnte dieser die letzten Jahre im Komplett-Set um die 100 € gekauft werden, so sind aktuell auch Preise über 200 € zu finden, wenn er mit Hilfe von Seiten wie Raspberry Pi Locator überhaupt zu bekommen ist.
Die globale Chip-Krise zeigt hier unmittelbar ihre Auswirkungen – bestenfalls wird es noch 2022 etwas Entspannung geben, aber möglicherweise auch erst 2023. Dabei ist das alles nur ein Teil der aktuellen globalen Lieferkettenproblematik. Selbst bei meinem Familien-Hobby, den Brettspielen, finden sich inzwischen auf den Seiten der Spieleverlage neben den Prognosen zur Verfügbarkeit neuer Auflagen die direkten Links zu den Trackern der Containerschiffe mit den Spielen an Bord.
Wer nun denkt, dass die Lieferketten nur in einzelnen Nischen problematisch sind, wird hier (Container-Chaos in Shanghai trifft Pfalz) eines Besseren belehrt. Ganz zu schweigen von den Herausforderungen, irgendein neues Elektroauto (siehe Chip-Krise) vor dem nächsten Jahr zu bekommen.
Treffend zusammengefasst wird die Situation von Bosch-Konzernchef Stefan Hartung mit „Versorgungsengpässe kannten wir eigentlich nicht mehr“ und „Wir können die Probleme nicht nacheinander abarbeiten, sondern müssen uns dem gleichzeitig stellen.“
Selbstverständlich ist die derzeitige Situation auch eine signifikante Anpassung für das Demand Forecasting und die mathematische Modellierung von Procurement-Prozessen, denn die wenigsten Modelle beinhalteten bisher Once-in-a-generation-
Also bleibt es bei „Change is the only constant“, einer Rahmenbedingung, mit der sich die IT-Branche leichter tut als andere Branchen?
Nicht ganz. Auf der Software-Seite gibt es sicherlich langjährige Erfahrungen in der Anpassung an sich wandelnde Rahmenbedingungen, aber auf der Seite der physikalischen Systeme und generellen Hardware tut der IT-Community Bescheidenheit gut. Auch die Tech-Riesen können Hardware nicht besser; die Digitalisierung unterstützt zwar, aber kann nicht zaubern.
So fand ich diesen langen Artikel zu Agile and the Long Crisis of Software, der in diesem Monat in der IT-Community breit diskutiert wurde, lesenswert. Trotz einiger Unschärfen im Artikel ist der Aspekt der Verantwortung für das (IT-)Produkt im agilen Prozess und der Ethik des Engineering nachdenkenswert, gerade in der Gegenüberstellung zwischen Software Engineering und Engineering bei physikalischen Systemen. Denn angesichts aller aktuellen Herausforderungen in der Welt ist es wichtiger denn je, dass die IT-Community sich der ethischen Dimension ihres Tuns bewusst ist und in ihren Möglichkeiten Verantwortung bei der Bewältigung der Krisen übernimmt.
„It’s too late to be ready.“ — Dōgen.
Stay healthy, stay hungry, stay foolish.
Herzlichst,
Christian Meder